Die Terranauten: 20 Jahre danach (Leseprobe):
Rot schien die Sonne, die die Menschen "Set" nannten, auf den Planeten Stonehenge II herab. Wind wehte durch die Ebene, Staub wurde aufgewirbelt. Ein Sandsturm bewegte sich in Richtung der Position der Station. Stewart fühlte sich alles andere als wohl in seinem Körperpanzer. Der Wind zerrte an den aus Protop gefertigten Stabilisatoren, die ihn vor den todbringenden Gewalten bewahrten. Stonehenge II war keine für Menschen gemachte Welt. Er wünschte sich mindestens 500 Lichtjahre von seiner momentanen Position weg, eine Distanz, die ziemlich exakt der Entfernung zur Erde entsprach. Nichts konnte ihn mehr anziehen als der Heimatplanet der Menschheit, jenes blaue Juwel in der Finsternis des Weltraums, von dem aus er vor vier Jahren die Reise nach Stonehenge II angetreten hatte.
Langsam näherte sich Stewart der Position, an der vor 7 Jahren das Raumschiff der Aliens explodiert war. Bis heute konnte niemand erklären, weshalb sich das Relikt selbst zerstört hatte. Llewellyn 709, einer der Führer der Terranauten, war damals in eine Falle der Grauen Garden getappt und vermutlich in Folge der Emissionen eines Kampfes auf PSI-Ebene war das Raumschiff der Extraterrestrier in einer gewaltigen nuklearen Explosion vergangen.
Was war damals geschehen, fragte sich Stewart. Zwar kannte er die offiziellen Berichte der Garden- und Kaiser-Wissenschaftler und trotz intensiver, nun fast vier Jahre andauernder eigener Forschungen war er der Aufklärung der damaligen Ereignisse jedoch noch keinen Schritt näher gekommen.
Er konnte sich eines irrationalen Gefühls nahender Gefahr nicht erwehren, als er die rote Riesensonne hinter dem Horizont der Ehernen Berge versinken sah. Natürlich war dies nur Einbildung, trotzdem besaß die Symbolik der Szenerie für ihn eine bedrohliche Komponente.
Langsam näherte er sich den Ruinen des Raumschiffes der Extraterrestrier. Die Windgeschwindigkeit betrug bereits mehr als 250 km/h und seine Sensoren meldeten ihm elektrische Entladungen von über 1.8 Mio Volt in einem der angrenzenden Sektoren. Dennoch hatte er eine Aufgabe zu erfüllen. In vielen Jahren ausgeklügelter Auswahlprogramme war er schliesslich ausgewählt worden, die Situation des Schiffes und der Absturzursache intensiver zu erforschen.
In seiner unmittelbaren Nähe sah er einen Stoneman, der gerade wie seit Äonen damit beschäftigt war, einen weiteren Obelisken zu bauen. Aus unerfindlichen Gründen schaufelten diese Wesen Quarzsand in sich hinein und spien daraufhin gebackene Steine wieder aus, die die zahlreichen Obeliskenwälder des Planeten Stonehenge II aufbauten. Der Sinn dieser Aktivitäten blieb den Wissenschaftlern bis zum heutigen Tage verschlossen. Es hielt sich jedoch hartnäckig das Gerücht, die Stonemen stünden in irgendeiner Beziehung zu den Erbauern des zerstörten Raumschiffes.
Ein lautes Zischen riß Stewart aus seinen Überlegungen. Der Stoneman würgte gerade den Anfang eines neuen Obelisken aus seiner Kehle. Kochendheiß erstarrte die breiige Masse auf dem Wüstenboden, die zuvor in den Eingeweiden des seltsamen Wesens auf derart hohe Temperaturen erhitzt worden war, daß sie wie in einem Hochofen, in nahezu flüssiger Form vorlag.
Stewart blickte nach vorne, unmittelbar in den fast 200 m tiefen Krater,in dem sich vor wenigen Jahren noch das Schiff der Aliens befunden hatte. Von der einst 4567 Meter langen und 234,7 Meter breiten Arche waren nur zu Schlacke verschmorte Trümmer zurück geblieben, bis man vor einem Standardjahr ein fremdartiges Signal ortete, das sich unmittelbar im Explosionstrichter zu befinden schien. Nachdem es sich jeder Ortung hartnäckig widersetzte und auch die Robotsonden nichts finden konnten, entschlossen sich die neuen Herrscher Stonehenges, einen Scout in die Strahlenhölle zu schicken, um das Phänomen zu analysieren.
Stewart seuzte schwer. Er hatte sich nicht freiwillig gemeldet, um diese gefährliche Aufgabe zu übernehmen. Ursprünglich war er als Arbiter im Forschungsdienst des Kaiserkonzerns im Jahre 2504 nach Stonehenge II gekommen, um die Untersuchungen der Explosionsursache zu leiten. Kaiser hatte bis zuletzt versucht, doch noch den sagenumwobenen Dritten Weg zu entdecken, jene Raumfahrt-technologie also, die weder auf PSI noch auf der entropiebeschleunigenden Kaiserkraft beruhte. Einige Untersuchungen deuteten darauf hin, daß der Antrieb eben dieser Arche auf bislang unbekannten Prinzipien beruhte.
Nach dem Ende des Konzils der Konzerne und dem Öko-Schock, mit dem die TERRANAUTEN die Erde von der Gewaltherrschaft des Lordkaisers Max von Valdec befreit und den Planeten in eine grüne Welt verwandelt hatten, waren zunächst alle Verbindungen von Stonehenge II zur Erde abgebrochen. Wer sollte auch schon Interesse an einem Planeten haben, dessen Schwerkraft 28 mal so hoch war wie die Terras und auf dem man sich nur mit Hilfe schwersten Gerätes bewegen konnte.
Als nach mehr als einem Jahr dann doch wieder ein Raumschiff im Orbit auftauchte, glaubten alle an eine baldige Rückkehr zur Erde. Doch die Besucher stellten sich sehr schnell als Invasoren heraus, die ganz andere Ziele verfolgten sollten als die Wissenschaftler auf Stonehenge II sich erhofft hatten. Es handelte sich um das letzte Aufgebot des ehemaligen ConTon-Konzerns, der früher vom inzwischen verstorbenen Generalmanag Edison Tontor geleitet worden war.
Verfolgt zunächst von Valdecs Grauen Garden und jetzt den TERRANAUTEN waren die Manags und Sicherheitsleute seit Jahren auf der Flucht durch die Galaxis. Mit ihrem gestohlenen Treiberschiff, der BETEIGEUZE und einer gewaltsam entführten Treiber-Loge hatten sie versucht, einen abgelegenen Planeten zu finden, auf dem sie sich niederlassen konnten. Nachdem es im Niedergang des ersten Sternenreiches der Menschen immer schwieriger geworden war, an die zur Navigation im Weltraum II nötigen Misteln des Urbaumes Yggdrasil zu gelangen, hatte sich einer der ConTon-Manags an das Stonehenge II-Projekt Kaisers erinnert.
Obwohl der Planet nur 500 Lichtjahre von Terra entfernt war, schien das Risiko einer Entdeckung aufgrund der lebensfeindlichen Umwelt relativ gering. Außerdem hofften die ConTon-Leute auf Unterlagen und Forschungsergebnisse über den Antrieb der Arche und damit auf eine reelle Chance, einen eigenen Antrieb für den Überlichtflug in die Hände zu bekommen. Diese würde einerseits einen Durchbruch in der Raumfahrttechnik und vor allem einen nicht zu unterschätzenden Machtfaktor bedeuten.
"Windgeschwindigkeit bei 297 km/h und steigend", die blecherne Stimme des Bordcomputers riß Stewart aus seinen Überlegungen. Mit dem Einbruch der Dunkelphase auf Stonehenge prallten kühlere und warme Luftströmungen aufeinander und verursachten schwere atmosphärische Gewitter. Es schien vorteilhaft, sich für die Nacht in die Sicherheit des Gleiskettenfahrzeugs zurück zu ziehen. Er lenkte seinen Körperpanzer zu den Felsen, hinter denen er das einer Schildkröte ähnelnde Fahrzeug abgestellt hatte. Per Fernbedienung öffnete sich die Heckklappe und gab den Zugang zur Schleuse frei. Stewart betrat das Innere der Kammer und betätigte den Schließmechanismus. Sein letzter Blick nach draußen zeigte ihm den obersten Rand der gerade untergehenden roten Riesensonne, bevor die planetare Nacht auf Stonehenge II begann.
... to be continued ...